Das Hippelsteinchen
Wir waren von Gönnersdorf aufgebrochen, um auf unserem Feld das Heu aufzuladen, das im warmen Sonnenlicht der letzten Tage trocknete. Es war ein Freitag, den Dreizehnten zählte man, und in meinen Augen deutete nichts darauf hin, was heute geschehen würde. Vom Hippelsteinchen, so sagte man sich seit Generationen, ginge eine eigenartige Kraft aus, und man solle sich vor ihm hüten, vor allem Freitags zur Mittagszeit. Doch an jenem Sommertag erlebte ich, was ich nimmer für möglich gehalten hätte.
Noch vor dem Mittag wurde ich von meinem Vater heimgeschickt, um das Essen zu holen, als ich mich dem Hippelsteinchen näherte. Mir war, als würde ich Krähen krächzen hören. Mit jedem Schritt wurde es dunkler, fast hätte ich geglaubt, der Abend würde hereinbrechen. Es wurde eigenartig kalt und Nebel stieg auf, wie im Spätherbst, wenn der Winter naht. Da hörte ich fern aus dem Dorf die Betglocke schlagen, und in einem Nu begann es am Hippelsteinchen zu knirschen und zu rumoren. Der Boden bebte und die kalte Luft um mich herum wirbelte – und schon, ich traute meinen Augen kaum, drehte sich der Stein um seine eigene Achse: Einmal, zweimal, … dreimal! „Guten Tag, mein Kind!“ hörte ich es sagen – und erblickte ein kleines Männlein, welches mit blitzenden Augen zu mir aufschaute. „Da du ein Sonntagskind bist, erfülle ich dir einen Wunsch.“ Mich überfiel ein Grausen. Was geschah hier? Was sollte ich tun? Und nach längerem Zögern schließlich sagte ich, dass ich nichts wünschte, als dass wir alle gesund und glücklich blieben. Sogleich brauste es erneut, der Stein drehte sich dreimal, das Männlein verschwand und die wärmende Sonne schien mir ins Gesicht. 90 Jahre sind seither vergangen, und ich muss noch jeden Tag an das Männlein denken …
Hippelsteinchen: Das Naturdenkmal Hippelsteinchen bei Gönnersdorf ist ein pilzförmiger Dolomitfelsen in einer faszinierenden Landschaft. Man erzählt sich im Ort, dass dieser Stein denjenigen Kindern die Hausaufgaben erledigt, welche sie vor dem Mittagsläuten auf ihn legen.
Das Hippelsteinchen
Lichtmaler: Hans Nieder, Sven Nieder
Verortung: 50° 20‘ 3“ N, 6° 36‘ 44“ O
Die Fotografie und der Text entstammen dem Eifelkalender „Sagenhafte Vulkaneifel – Bildkalender 2017“ der Kreissparkasse Vulkaneifel.
Fotografie: © Sven Nieder | Text © Dr. Tim Becker
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Die Fotografien können bei der Galerie Augarde in limitierter Auflage erworben werden.
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Mail: kunstgalerieaugarde@gmail.com
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